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Fleischersterben- Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung

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    Fleischersterben- Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung

    Hallo zusammen,

    ich möchte euch auf einen Artikel aufmerksam machen, der heute in der Neuen Osnabrücker Zeitung steht. Da spricht der Fleischermeister Andreas Witte -Inhaber einer traditionsreichen Fleischerei in Osnabrück- über die Themen, die allen Sorgen machen: Fleischereisterben, Nachwuchsmangel, Imageprobleme.

    https://www.noz.de/deutschland-welt/...-region-weiter

    Wie der Kommentar des Pressesprechers der Handwerkskammer Osnabrück Andreas Lehr dazu ausfällt, seht ihr ganz unten im Artikel. Diese Aussage von Herrn Lehr ist meiner Meinung nach für die komplexe Problemlage der Fleischereien nicht hilfreich. Mit dem würde ich mich gerne mal unterhalten, wie er das denn nun gemeint hat. Unterstützung der Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer sieht jedenfalls anders aus!

    Viele Grüße Klaus

    #2
    Hallo Klaus.
    Was da berichtet wird beschaeftigt unser Handwerk schon seit ich zur Lehre ging und das ist gefuehlte 100 Jahre her. Zu dieser Zeit besuchte ich einige Diskussionsrunden und in einer dieser Runde wurde festgestellt, dass alle anderen Berufe ausreichend Azubis zur Verfuegung haben und die Fleischer die Reste bekommen. Es hat sich also seit dieser Zeit nichts geaendert.

    Auch zu dieser Zeit gab es neben dem Mangel an aufgeweckten Azubis ein Nachwuchsproblem bei den Fleischereien. Die Ursache war, dass die Fleischereiinhaber, deren Geschaefte gut gingen, ihren Familiennachwuchs nicht ins Geschaeft integrierten, sondern auf Teufel komm raus in Schulen schickten und somit spaeter in allen akademischen Berufen zu finden waren, nur nicht in der Wurstkueche. Ausnahmen bestaetigen die Regel.

    Als dann die Nachwuchsfrage kam war sie bereits geloest, denn die Kinder waren in anderen Berufen und die Bude wurde dichtgemacht. Hunderte solcher Beispiele kann man da nennen. In dem Ortsteil in dem ich aufwuchs gab es auf der Hauptstrasse in den 90er Jahren 12 ! Metzger. Im Jahr 2000 waren es noch 4 und als ich vor 5 Jahren das letzte Mal da war noch 1 der 3 Mal die Woche halbtags geoeffnet hatte und eine Filiale in einem Dorf betrieb. Alle 11 hatten das selbe Problem, obwohl sie alle mehrere Kinder hatten. Im Nachhinein betrachtet hatten die Metzger aber alle Recht ihre Kinder keine Metzger werden zu lassen. Denn in dieser Zeit wurden auf der Gruenen Wiese Supermaerkte gebaut. Ich war damals im Toom-Markt. Und die Supermaerkte waren –und sind- so gelegen, dass sie aus mehreren Ortschaften problemlos zu erreichen sind. In Folge des Preiskampfes haette der Nachwuchs also hinter verwaisten Theken gestanden.

    Um die Metzger kaputt zu machen betrieben die Maerkte eine radikale Politik, wobei sie aus den Grosschlachtereien Hilfe hatten. Ich habe eine Kotelettenaktion in Erinnerung bei der wir die Theke garnicht mehr einzurichten brauchten. Einkaufswagen voll mit gehackten Koteletten wurden in die Theke gekippt und die Kunden standen in Dreierreihen um beutelweise Koteletten heimzuschleppen. Welcher Metzger hatte da noch eine Chance? Da wurde und wird kundenseits ueberhaupt keinen Wert auf handwerklich gelegt. In der sogenannten Spezi-Theke wurde mit Artikeln wie gefuellte Paprikaschoten, Spiessen, Minutensteaks, Mini-Wienern, Debreczinern, Cordon blue, Bacon umwickelten Wienern auf 3 Metern Theke der 4-fache Umsatz gemacht wie an der 8 Meter normalen Theke. Samstags war Grosskampftag mit Fleisch. In den Doerfern standen sich die Metzger die Hacken ab und im Supermarkt tanzte der Baer.

    Zu dieser Zeit begann aber auch die Politik der Vollbeschaeftigung der Familie zu greifen, wonach die Frauen einfach keine Zeit mehr zum Kochen hatten da sie arbeiten mussten. Bedingt durch die Frauenarbeit begann eine Stadtflucht, welche ganze Ortsteile leerfegte, so dass die Handwerker keine ausreichende Kundschaft mehr hatten. Jeder wollte ein Haeuschen auf dem Land haben. Heute erkennt man eine Umkehr. Kannst du dir vorstellen, dass meine Grossmutter 8 Kinder gross zog, obwohl mein Grossvater nur Schuhmacher und Alleinverdiener war? In dieser fatalen Entwicklung aus Grosselterns Zeiten bis heute, wo es fast schon ein Kraftakt ist ein einziges Kind gross zu ziehen, welches dann aber politisch auch nicht gewuenscht wird, sehe ich den Hasen im Pfeffer liegen.

    Die Metzgereien die heute noch traditionell existieren befinden sich in einer Nische mit ausreichend Kundschaft in welche die Supermarktkraken nicht mit ihren Armen hinein kommen konnten. Alle anderen, die erreichbar waren, haben entweder dicht gemacht oder existieren mit abgehobener Qualitaet, Filialen und neuerdings auch mit Online-Shopping. In Deutschland-und das sagte ich schon als ich noch in Deutschland lebte-wird viel zu viel Fleisch produziert und das mit Hilfe von Subventionen. Rund 30% Schweinefleisch werden fuer den Muell gezuechtet. Und das mit Subventionen zu denen eine Partei ihre Zustimmung gibt die sich als Umweltpartei ausweist.

    Jammern nuetzt nichts und wer von den Innungen greifende Hilfe erwartet hat sicher aufs falsche Pferd gesetzt. Was zu tun ist wurde auch hier schon X-Mal diskutiert, wobei ich bemaengele, dass immer die gleichen Kollegen mitdiskutieren.
    Ich bin der Meinung, da ich es hier vor Ort erlebe, dass wenn sich die Fleischer mit ihren Produkten etwas tiefer in den Dienstleistungsbereich hinein begeben auch die Geschaefte besser gehen, denn mit Partyservice ist es lange nicht getan.
    Damit erreichen sie einen Vorsprung den die Supermaerkte noch nicht erreichen. Und wenn dies in den Koepfen der Fleischer Einzug gehalten hat, dann kommt mit die Staerkung der Unternehmen durch Umsatz auch die Weiterentwicklung im Personalwesen und die Aufpolierung des Images, denn es duerfte sich langsam rumgesprochen haben, dass wenn man einen Rollbraten haben will man vorher ein Schwein schlachten muss.
    Ich hoffe ich habe dich nicht gelangweilt.
    Gruss

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      #3
      Als ich Kind war (und ich bin erst 29) gab es hier in der nächsten Kleinstadt 5 Fleischereien. Heute sind es noch 2 und einer davon lebt auch nur noch,weil er so viel Lohnschlachtungen hat und für ein Markenfleischprogramm das volle Programm von Zerlegen bis Wurst machen übernommen hat. Der andere hat einen gut gehenden Mittagstisch sowie "Essen auf Rädern" und halt den Partyservice. Nur von der Theke kann man heute vielleicht noch leben wenn man irgendwo in einem größeren Einzugsgebiet steckt, ansonsten sind die Jahre der Fleischer gezählt. Traurig aber wahr..bei den Bäckern ist es nicht anders..hatten wir einst 9 sind es jetzt noch 4..und 2 davon gehören einer größeren Kette an die ihren Hauptsitz 100 Km weiter weg hat..Discounter und Supermärkte sind es mittlerweile 6...es waren mal 3...da sieht man gut wo die Reise hingeht..ab und an quatscht man dann einfach dem Mainstream nach,von ökologischer Landwirtschaft und Tieren aus besser Haltung...und am Ende liegt dann doch Hack für 1.99 Euro im Korb..

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        #4
        Luepi, es liegt am Geschmack.
        In einer 8-taegigen Rundreise durch Deutschland habe ich festgestellt, dass die Wuerste in 3 verschiedenen Bundeslaendern alle, ausnahmslos gleich schmecken. Alle nach Salz.

        24g bei Fleischwurst, 34g bei Salami, 26g bei Leberwurst, 24g bei Paprika-Lyoner. Gewuerze? Keine rausgeschmeckt.
        Ich fragte nach den Gewuerzfirmen und alle Metzger gaben mir die gleiche Antwort. Folglich sind nicht die Metzger die Wurstmacher, sondern die Gewuerzfirmen.
        Es wird nach deren Rezepturen gearbeitet, deren Compounds verwendet und deren Know how umgesetzt.
        Eigentlich koennte man einen Roboter an den Kutter stellen. Die deutschen Metzger versalzen sich ihre Kundschaft selbst.
        Warum soll ich beim Metzger um die Ecke kaufen, wenn bei dem Discounter die Wurst genau so schmeckt? Salzig.
        Und man soll mir bitte nicht mir dem Preis kommen.
        Wer zu dumm ist einige deklarationsfreie Zusatzstoffe einzusetzen, der soll auf den Bau gehen um Sand zu schippen.
        Ich bin der festen Ueberzeugung, dass Discounterwurst liegen gelassen wird, wenn wuerzige, gut gewuerzte Wurst ohne so viel Salz beim Metzger zu haben ist.

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          #5
          Hallo wuschel-

          das hast du sehr gut gesehen. Ich kann dir nur beipflichten. Dass die Produkte nur noch mit fertigen Mischungen und einer entsprechend großen Menge an Salz gemacht werden, ist leider schon seit mittlerweile Jahrzehnten Trend. Auch bei den Handwerksbetrieben, leider. Arbeitserleichterung durch das schnelle Abwiegen der Mischung aus der Tüte ist ein Grund gewesen, warum es immer mehr aufkam, doch nun, nach einiger Zeit, kann man noch einen anderen Grund nennen: Kompetenzverlust!

          Die Fleischer wissen einfach nicht mehr wie man eine Wurst mit Naturgewürzen würzt, und dabei die Besonderheiten der einzelnen Wurstsorten berücksichtigt. Und die jungen Auszubildenden lernen es schlichtweg in den Betrieben nicht mehr. Weil die jahrelange Praxis mit den Mischungen diese Kompetenz weg gespült hat. Ich sehe bei den Gesellenprüfungen fast nur noch ausschließlich Brühwurstrezepturen (bei uns müssen die angehenden Fleischerinnen/Fleischer unter Anderem eine Brühwurstbratwurst machen) in denen keine Naturgewürze angegeben sind, sondern die Artikelbezeichnungen der Gewürzmischungen, die die Gewürzfirma halt eben vergeben hat. Dann steht da beispielsweise:


          18g Salz,
          6g Bratwurstgewürzmischung "superfix xxl Gourmet aromaplus" von Gewürzhans
          3g Phosphat

          und nicht z. B.


          18,0 g Kochsalz
          2,0 g Pfeffer, weiß
          0,5 g Kümmel (gemahlen)
          1,0 g Paprika edelsüß
          1,0 g Koriander
          1,0 g Muskat
          1,0 g Ingwer
          2,0 g Majoran
          2,0 g Zwiebelpulver
          3,0 g Kutterhilfsmittel auf Phosphatbasis (Herstellerangaben beachten!)
          2,0 g Zuckermischung (zur Bräunung, wenn gewünscht)

          Bei den Meisterprüfungen sieht es ähnlich aus-und so kann man den Beruf des Fleischers erlernen, es bis zum Meister bringen und muss sich nicht einmal der Herausforderung stellen eine Wurst selber zu würzen. Was geht dabei alles verloren-angefangen bei all den herrlichen regionalen Erzeugnissen, deren genaues Rezept vielleicht bald keiner mehr so recht kennt. Kann ich mir denn als Fleischer überhaupt ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten, wenn ich meine Wurst genauso langweilig würze wie der Hersteller des Discounters? Warum soll der Kunde denn dann zu mir kommen? Wegen des netten Lächelns der Fachverkäuferin? Das wäre vielleicht noch ein Grund.

          Ich möchte die Gewürzfirmen nicht in ein falsches Licht rücken-sie stellen sehr gute Produkte und Zusatzstoffe her ohne die wir die Wurst nicht machen könnten. Aber bitte, liebe Fleischer, habt doch endlich wieder mehr Selbstvertrauen in eure eigenen Fähigkeiten und den Mut eure Wurst so herzustellen, wie nur ihr es als eizigstes auf der Welt könnt-mit eurem Rezept, mit eurem Schaffensgeist und eurer Kreativität, die in euch steckt. so grenzt ihr euch ab vom SB-Markt, preislich schafft ihr es sowieso nicht.

          Viele Grüße Klaus






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            #6
            An der 1 .Bayerischen Fleischerschule wird im praktischen Unterricht noch mit Rohgewürzen gearbeitet; und eine ausführliche Rezepturmappe davon erhält jeder Meistetkursteilnehmer. Find ich sehr gut; nur was nützt das, wenn dann der Einfachheit wegen mit Fertigmachen gearbeitet wird.

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              #7
              Soll FERTIGMISCHUNG heißen. Entschuldigung für meinen Fehler. Bin halt nimmer der Jüngste.

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