Hallo zusammen,
in einem meiner alten Fleischerbücher bin ich über einen interessanten Absatz gestolpert-er beschreibt den Arbeitstag einer Fleischerei am "Hauptwursttag". Es stammt aus dem Buch von Eduard Bechtold. Ich hoffe ich darf es so veröffentlichen und ich habe es richtig als Zitat gekennzeichnet.
Aus dem Buch: "Der praktische Fleischer"
Union Deutsche Verlagsgesellschaft Berlin Roth&Co.
2. Auflage 1939
"Die Arbeitsfolge in einer mittleren süddeutschen Fleischerei an einem Hauptwursttag
Die Arbeit beginnt mit dem Anheizen der Kessel. Dann wird das „Wurstsach" zugesetzt, das vom vergangenen Schlachttag vorhanden ist. Das sind: 2-3 Kalbsköpfe, einige (ausgezogene) Schweinsköpfe, ein Netz mit Krähen und Flechsen zu Leberwürsten, ein.Rindskopf. Weiterhin: 6-8 Schweinerüssel und -kinnbacken (gepökelt), 8”10 gepökelte Rindsbacken (gewöhnlich aus Zukäufen stammend), 1 bis 2 Netze mit Seitenschwarten und anderen Schwartenteilen - zu Preß- und Griebenwurst, nach Bedarf gepökelte Schweins- und Kalbszungen, ausgezogene Kalbs- und Rindsfüße zu Sulz für Schwartenmagen und „Schwarze", 6-8 Griffe für Schweinsleberwurst. Das gepökelte und gesalzene Material wird in einem besonderen Kessel gekocht. Indessen wird „kalt" gewurstet, d. h. es werden die zunächst benötigten Brühwürste hergestellt. Gewöhnlich werden frische Bratwürste angefertigt aus fettem Schweinefleisch (Bauchlappen), Kalbfleisch und etwas Rindfleisch. Von dem erhaltenen Brät wird nicht alles in Därme eingefüllt, damit nach Möglichkeit keine Würste übrig bleiben und bei Bedarf jederzeit Würste nachgefertigt werden können. Auf das Bratwurstbrätschaffen folgt das Herstellen des Schinkenwurst- und Saitenbräts. Die benötigten Därme wurden schon am Tag vorher entfettet und abgebunden -(Naturdärme!). Am Wursttag können die Brühwürste dann sofort nach der Herstellung der Bräte gespritzt werden.
Nunmehr kann auch das Kochwurstmaterial aus dem Kessel genommen werden. Zuerst werden von einem Gesellen die gekochten Kinnbacken zu Preßwurst und Griebenwurst geschnitten, desgl. zu Schwartenmagen, nur hierfür ganz grob. Dann werden die gekochten Kinnbacken-zu Preßwurst und Griebenwurst ausgebeint. Hierauf wird das Leberwurst,,sach" verlesen. je in besonderen Schüsseln sammelt man das Material für einfache und Streichleberwurst, für Schwarze und Salvenatwurst.
Inzwischen werden die erforderlichen Därme gerichtet: Frische Schweinemägen und Ochsenbutten zu Preßwurst, gesalzene Butten zu Schwartenmagen und Zungenwurst, frische Schweinedärme werden entfettet- und wieder gedreht, einige Bund frische (nur im Notfall: kurz gesalzene) Kranzdärme werden gerichtet für Leberwürste, und Cellophandärme für Streichleberwurst.
Nun läßt man das Leberwurstmaterial einmal durch den Wolf, dann wird in die Schüssel die nötige Brühe gegeben, die Masse gewürzt, gemengt und herausgespritzt. je 6-8 Würste bleiben beisammen („Leberwurststrang"). - -
Jede Wurstsorte, die fertiggestellt - wird, kommt sofort in den Kessel und. wird, sowie sie fertig gekocht ist, aus ihm wieder entnommen. - -'
Einer der Wurstmacher hat inzwischen das Material für feine Leberwurst durch den Wolf gelassen, dann geblitzt und gewürzt. Nun wird auch dieses Material herausgefüllt.
Anschließend läßt man das rohe, gesalzene Schweinefleisch für Preßwurst durch den Wolf Hernach wird das Sulzmaterial für die Sulzwürste durch den Wolf gegeben, dann mit Brühe geblitzt, zuerst das Material vom Schwein für weiße Sulzwurst, dann das für Blutwürste. Die aus dem Blitz genommene Sulz wird in der Schüssel zum Wiedererwärmen und Verflüssigen in den Kessel gebracht. Aus gut erwärmter, gut flüssiger Sulz und fetten- geschnittenen Kinnbacken wird weiße Preßwurst gemacht, anschließend weißer Schwartenmagen, eventuell sommers Salvenatwürste. -
Auf die Herstellung. der weißen Sulzwürste folgt die Anfertigung der Blutwürste, an erster Stelle der rote Schwartenmagen. Aus der Sulzschüssel wird die nötige Menge Sulz entnommen, durch Hineinhalten in den -Kessel warm- und dadurch flüssig gemacht, das abgeschwenkte „Geschnittene" eingebracht gewürzt, gemengt und das nötige Blut beigegeben. Dann wird in die Därme gefüllt.
Nun wird für Zungenwurst und Speckwurst Sulz in gleicher Weise erwärmt und flüssig gemacht. Für die beiden Wurstarten wird Speck gekrekt, hernach abgeschwenkt zur Sulz gegeben, das erforderliche Blut beigemischt, gewürzt und dann die Masse gemengt. Nun halbiert man Zungen und steckt sie in die Buttdärme. Dazwischen wird immer gleichmäßig Speck-Blutfüllsel beigegeben. Die übriggebliebene Speck-Blutfülle gibt Speckwurst.
- Auch für die nun anzufertigenden Griebenwürste wird zunächst Sulz aus der Schüssel entnommen und verflüssigt. Geschnittene Kinnbacken und etwas Speck werden abgeschwenkt und in die Sulz gebracht. Nachdem gewürzt und Blut beigemengt ist, wird in Schweinsgwaider gefüllt. Meistens werden zwei Würste zusammen abgebunden.
Nun wird das Schwarzwurstmaterial durchgeschrotet und die restliche Sulz in der Anschaffschüssel erwärmt, das Geschrotene samt Speck, der vorher gekrekt wurde, hinzugegeben. Dann wird gefüllt und abgebunden. Diese Arbeiten sind gegen den späten Nachmittag (16-17 Uhr) beendet. Es wird nunmehr zusammengespült. Unter dem Kessel muß stets ein, gutes Feuer unterhalten werden, damit genügend heißes Wasser für Reinigungszwecke zur Verfügung steht."
Aus dem Buch: Eduard Bechtold "Der praktische Fleischer" Union Deutsche Verlagsgesellschaft Berlin Roth&Co. 2. Auflage 1939
Was kann daran noch heute interessant sein? Was meint ihr?
Ich finde es jedenfalls spannend zu lesen-kann es doch als Positionierung dienen. Wo war man damals-wo stehe ich heute? Wohin geht der Weg eigentlich -sei es im Handwerk oder in der Lebensmittelindustrie? Was bleibt von meinem traditionsreichen Handwerk, was nehme ich mit in die Zukunft? Welche Begriffe sind geblieben, welche heute völlig fremd?
Ich freue mich auf eure Beiträge,
viele Grüße Klaus
in einem meiner alten Fleischerbücher bin ich über einen interessanten Absatz gestolpert-er beschreibt den Arbeitstag einer Fleischerei am "Hauptwursttag". Es stammt aus dem Buch von Eduard Bechtold. Ich hoffe ich darf es so veröffentlichen und ich habe es richtig als Zitat gekennzeichnet.
Aus dem Buch: "Der praktische Fleischer"
Union Deutsche Verlagsgesellschaft Berlin Roth&Co.
2. Auflage 1939
"Die Arbeitsfolge in einer mittleren süddeutschen Fleischerei an einem Hauptwursttag
Die Arbeit beginnt mit dem Anheizen der Kessel. Dann wird das „Wurstsach" zugesetzt, das vom vergangenen Schlachttag vorhanden ist. Das sind: 2-3 Kalbsköpfe, einige (ausgezogene) Schweinsköpfe, ein Netz mit Krähen und Flechsen zu Leberwürsten, ein.Rindskopf. Weiterhin: 6-8 Schweinerüssel und -kinnbacken (gepökelt), 8”10 gepökelte Rindsbacken (gewöhnlich aus Zukäufen stammend), 1 bis 2 Netze mit Seitenschwarten und anderen Schwartenteilen - zu Preß- und Griebenwurst, nach Bedarf gepökelte Schweins- und Kalbszungen, ausgezogene Kalbs- und Rindsfüße zu Sulz für Schwartenmagen und „Schwarze", 6-8 Griffe für Schweinsleberwurst. Das gepökelte und gesalzene Material wird in einem besonderen Kessel gekocht. Indessen wird „kalt" gewurstet, d. h. es werden die zunächst benötigten Brühwürste hergestellt. Gewöhnlich werden frische Bratwürste angefertigt aus fettem Schweinefleisch (Bauchlappen), Kalbfleisch und etwas Rindfleisch. Von dem erhaltenen Brät wird nicht alles in Därme eingefüllt, damit nach Möglichkeit keine Würste übrig bleiben und bei Bedarf jederzeit Würste nachgefertigt werden können. Auf das Bratwurstbrätschaffen folgt das Herstellen des Schinkenwurst- und Saitenbräts. Die benötigten Därme wurden schon am Tag vorher entfettet und abgebunden -(Naturdärme!). Am Wursttag können die Brühwürste dann sofort nach der Herstellung der Bräte gespritzt werden.
Nunmehr kann auch das Kochwurstmaterial aus dem Kessel genommen werden. Zuerst werden von einem Gesellen die gekochten Kinnbacken zu Preßwurst und Griebenwurst geschnitten, desgl. zu Schwartenmagen, nur hierfür ganz grob. Dann werden die gekochten Kinnbacken-zu Preßwurst und Griebenwurst ausgebeint. Hierauf wird das Leberwurst,,sach" verlesen. je in besonderen Schüsseln sammelt man das Material für einfache und Streichleberwurst, für Schwarze und Salvenatwurst.
Inzwischen werden die erforderlichen Därme gerichtet: Frische Schweinemägen und Ochsenbutten zu Preßwurst, gesalzene Butten zu Schwartenmagen und Zungenwurst, frische Schweinedärme werden entfettet- und wieder gedreht, einige Bund frische (nur im Notfall: kurz gesalzene) Kranzdärme werden gerichtet für Leberwürste, und Cellophandärme für Streichleberwurst.
Nun läßt man das Leberwurstmaterial einmal durch den Wolf, dann wird in die Schüssel die nötige Brühe gegeben, die Masse gewürzt, gemengt und herausgespritzt. je 6-8 Würste bleiben beisammen („Leberwurststrang"). - -
Jede Wurstsorte, die fertiggestellt - wird, kommt sofort in den Kessel und. wird, sowie sie fertig gekocht ist, aus ihm wieder entnommen. - -'
Einer der Wurstmacher hat inzwischen das Material für feine Leberwurst durch den Wolf gelassen, dann geblitzt und gewürzt. Nun wird auch dieses Material herausgefüllt.
Anschließend läßt man das rohe, gesalzene Schweinefleisch für Preßwurst durch den Wolf Hernach wird das Sulzmaterial für die Sulzwürste durch den Wolf gegeben, dann mit Brühe geblitzt, zuerst das Material vom Schwein für weiße Sulzwurst, dann das für Blutwürste. Die aus dem Blitz genommene Sulz wird in der Schüssel zum Wiedererwärmen und Verflüssigen in den Kessel gebracht. Aus gut erwärmter, gut flüssiger Sulz und fetten- geschnittenen Kinnbacken wird weiße Preßwurst gemacht, anschließend weißer Schwartenmagen, eventuell sommers Salvenatwürste. -
Auf die Herstellung. der weißen Sulzwürste folgt die Anfertigung der Blutwürste, an erster Stelle der rote Schwartenmagen. Aus der Sulzschüssel wird die nötige Menge Sulz entnommen, durch Hineinhalten in den -Kessel warm- und dadurch flüssig gemacht, das abgeschwenkte „Geschnittene" eingebracht gewürzt, gemengt und das nötige Blut beigegeben. Dann wird in die Därme gefüllt.
Nun wird für Zungenwurst und Speckwurst Sulz in gleicher Weise erwärmt und flüssig gemacht. Für die beiden Wurstarten wird Speck gekrekt, hernach abgeschwenkt zur Sulz gegeben, das erforderliche Blut beigemischt, gewürzt und dann die Masse gemengt. Nun halbiert man Zungen und steckt sie in die Buttdärme. Dazwischen wird immer gleichmäßig Speck-Blutfüllsel beigegeben. Die übriggebliebene Speck-Blutfülle gibt Speckwurst.
- Auch für die nun anzufertigenden Griebenwürste wird zunächst Sulz aus der Schüssel entnommen und verflüssigt. Geschnittene Kinnbacken und etwas Speck werden abgeschwenkt und in die Sulz gebracht. Nachdem gewürzt und Blut beigemengt ist, wird in Schweinsgwaider gefüllt. Meistens werden zwei Würste zusammen abgebunden.
Nun wird das Schwarzwurstmaterial durchgeschrotet und die restliche Sulz in der Anschaffschüssel erwärmt, das Geschrotene samt Speck, der vorher gekrekt wurde, hinzugegeben. Dann wird gefüllt und abgebunden. Diese Arbeiten sind gegen den späten Nachmittag (16-17 Uhr) beendet. Es wird nunmehr zusammengespült. Unter dem Kessel muß stets ein, gutes Feuer unterhalten werden, damit genügend heißes Wasser für Reinigungszwecke zur Verfügung steht."
Aus dem Buch: Eduard Bechtold "Der praktische Fleischer" Union Deutsche Verlagsgesellschaft Berlin Roth&Co. 2. Auflage 1939
Was kann daran noch heute interessant sein? Was meint ihr?
Ich finde es jedenfalls spannend zu lesen-kann es doch als Positionierung dienen. Wo war man damals-wo stehe ich heute? Wohin geht der Weg eigentlich -sei es im Handwerk oder in der Lebensmittelindustrie? Was bleibt von meinem traditionsreichen Handwerk, was nehme ich mit in die Zukunft? Welche Begriffe sind geblieben, welche heute völlig fremd?
Ich freue mich auf eure Beiträge,
viele Grüße Klaus
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